Friday, April 12, 2024

Kriminell? Versuch einer Umschreibung "extremistischer Kunst" in Deutschland

 

 Versuch einer Umschreibung des Begriffs „Extremismus“ für den Bereich Kunst: 

These 1:
„Extremistische Kunst“ umfasst künstlerische Positionen, welche die Werte, Einstellungen und das Weltbild der „normativen Mitte“ grundsätzlich hinterfragen oder sogar verneinen bzw. ablehnen. Hierzu gehörte aus historischer Sicht häufig auch das Verletzen gesellschaftlich akzeptierter Tabus oder geltender Gesetze.


These 2:
Aus politischer Sicht gehören diese Arbeiten sowohl dem „linken“/„avantgardistischen“ als auch dem „rechten“ bzw. „konservativen“ Spektrum an. Das Vertreten einer politischen Position findet sich zwar überzufällig häufig, ist aber nicht zwingend notwendig.


These 3:
„Radikale“ Kunst lässt sich von „extremistischer“ Kunst (trotz aller Gemeinsamkeiten) dahingehend unterscheiden, dass „extremistische“ Kunst sich über die in Deutschland gesetzlich vorgesehenen Grenzen der Kunstfreiheit hinwegsetzt (z.B. unter anderem § 185 StGB, §186 StGB, §187 StGB, §90a StGB, §166 StGB, §201a StGB, §303 StGB, §14 JuSchG, §15 JuSchG, §86 StGB, §86a StGB, §130 StGB, §97 UrhG, §51 UrhG, TierSchG, ).

These 4:
„Extremismus“ ist ein Rezeptionsphänomen, über das mehr oder weniger Menschen einig sind (bzw. eine größere oder kleinere Gruppe von Menschen). Es ist historischen Veränderungen unterworfen. Ein guter rezeptionsästhetischer und wahrnehmungstechnischer Indikator ist, wenn diese Arbeiten unsere innere, handlungsleitende Sichtweise (von etwas oder jemanden) ändern, wir dadurch offen und nachdenklich werden und neue Informationen (z.B. Gedanken, Sichtweisen bis hin zu Wertvorstellungen, Haltungen, Weltbildern) uns aneignen.

These 5:
Es lässt sich in der Kunst „leiser“ Extremismus von „lautem“ Extremismus unterscheiden.

-> Leise = theoretisch, rein gedanklich (z.B. als Manifest), „zweidimensional“, ohne Körpereinsatz (eigener/fremde/r), unter Verwendung von viel Ironie, gewaltfrei.

-> Laut = unter Einsatz des eigenen oder fremden Körpers/fremder Körper, dreidimensional/im Raum (auch, nicht ausschließlich öffentlich), möglicherweise unter Einsatz von Schmerzen und Gewalt.

Versuch eines rezeptionsästhetischen Analyse-Rahmens für „extremistische Kunst“

:

1. Absolut gesetzte Kunstfreiheit/Gesetzesbruch:
Gegen welche Rechtsnorm(en) (§) verstößt die Arbeit?

2. Normverletzung:
Gegen welche möglichen gesellschaftlich-moralischen Werte und/oder Normen verstößt die Arbeit?
Gegen welche möglichen religiösen Werte und/oder Normen verstößt die Arbeit?

3. Rezeptionsästhetische Wirkung:
Wie wirkt die Arbeit auf mich?
Was macht das Wahrnehmen der Arbeit mit mir?
Was denke ich bei der Betrachtung der Arbeit?
Was assoziiere ich bei der Betrachtung der Arbeit?
Was empfinde ich bei der Betrachtung der Arbeit?

4. Ausweitung von Erkenntnissen:
Resultiert für mich aus 1. und 2. ein Erkenntnisgewinn/eine Horizonterweiterung/ein Informationsgewinn?
Bin ich durch die Arbeit reifer/weiser/klüger/umsichtiger/durchschauender geworden?

5. Erweiterung des emotionalen Spektrums
:
Resultiert für mich aus 1. und 2. eine innere Bereicherung meines Gefühlslebens?
Bin ich durch die Arbeit feinfühliger geworden?
Habe ich mir bislang unbekannte emotionale Zustände kennengelernt (bei anderen)?
Habe ich mir bislang unbekannte emotionale Zustände selbst erlebt? 

 

Aktuell offene Fragen:

Ist es für die Zuordnung zum Begriff "extremistische Kunst" ausreichend, auf die Übertretung der in These 3 genannten Grenzen der Kunstfreiheit lediglich zu verweisen, statt diese Grenzen tatsächlich zu verletzten?

Ist die Übertretung „ungeschriebener Gesetze“ (zentraler, grundlegender gesellschaftlicher Werte und Normen) durch eine künstlerische Arbeit ausreichend, um eine Arbeit als „extremistische Kunst“ zu qualifizieren, selbst wenn diese zentralen gesellschaftlichen Normen eventuell nicht in Gesetzesform festgehalten sind?

Wie ließe sich "extremistische Kunst" sinnvoll kategorisieren bzw. in "Untergruppen", "Gattungen" oder ähnliches einteilen (z.B. nach der Kategorie "Körper", "Wirtschaft", "Leben und Tod" o.ä.)?

 

T. T. Tabbert, Frühjahr 2024

www.tankred-tabbert.art


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