Ihre Publikation in der Wochenzeitung "Der Aufstand" (Reichweite bis zu 780 000 Personen) sorgte jüngst für viel Aufsehen und die Academia Tancredi freut sich sehr, zwei Texte der Hamburger Autorin Constanze Oberlercher präsentieren zu dürfen, die einen kleinen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen seit über zwei Jahrzehnten vermitteln:
Hamburg 19.12.2021
4. Advent
Wir sind die, die aus den Wirren flohen.
Wir sind die, die keine Freunde hatten.
Wir sind die, die an Gesetze glaubten.
Wir sind die –
Wir sind die, die immer widersprachen.
Wir sind Kinder vaterloser Väter.
Wir sind die, die man schon stets belogen.
Wir sind die –
Wir sind die, die für den Frieden liefen.
Wir sind die, die schon ihr Volk verrieten.
Wir sind die, die nie gesund gewesen.
Wir sind die –
Deren Kinder Heiler nicht nur heilten.
Deren Glauben früh man schon gespalten.
Die man immer für verrückt gehalten.
Wir sind die –
Wir sind die, die noch bis letzten Sommer
an den Kaiser als an Götter glaubten,
die sich keinen Fehltritt je erlaubten.
Wir sind die –
Wir sind die, die euch bewahren wollen
und doch eurem Glauben Achtung zollen,
wir sind die, die jetzund um euch bangen –
wir sind ihr.
Ihr seid die, die lange um uns bangten,
fröhlichen Gehorsam abverlangten;
schließt euch an, ihr Brüder, Schwestern, Kinder –
ihr seid wir.
***
[ein trüber Mittag] 29. März 2001
Und wieder ein Jahr in dem das Rad sich
weiterdreht
unter unserem Schnaufen,
die wir anpreisen
die Funktionstüchtigkeit der
Puppenhauskühlschränke
und die ungiftige Aufbereitung alter
Vermessenheiten.
Und Leiber liegen ungezählt,
erschlagen
von spielerischer Keule, ertrunken
im Wirbel virtueller Wogen.
Neben mir
geliebtes Schweigen keiner Einsamkeit
während ich nicht teilhabe an der
Verantwortung
der an umstrittenen Zahlen abgleitenden
Schraubenzieher
sondern wehleidig schmarotze, aussauge
versauerten Saft aus einem Trümmeracker
und mich geschwätzig wundere über die
Befestigung der Wege,
deren Unrecht zu verbergen
keiner für nötig hält.